Das ganze Leben bei sich tragen.

Das gesamte Eigentum bei sich zu tragen scheint im ersten Moment ein befreiendes Gefühl zu sein. Die Gesellschaft tendiert zum Überfluss. Konsum kennt keine Grenzen und wir schaffen uns Dinge an, die wir nicht brauchen. Es wird zur Gewohnheit, den gleichen Gegenstand mehrmals Zuhause zu sammeln.

Das Gefühl das eigene Zuhause zu verlieren und mit dem Eigentum auf der Straße zu landen macht uns Angst.

Obdachlose tragen oftmals alles bei sich, was sie ihr Eigentum nennen. Wirklich alles. Die Straße ist ihr Zuhause. Ein Zuhause, so wie wir es kennen, gibt es für diese Menschen nicht mehr. Für sie gibt es keinen Ort, an dem sie ihr Eigentum aufbewahren können. Kein Geschirr, keine Hose, keine Zahnbürste. Nichts.

Es klingt sehr abenteuerlich und es hat auch den Vorteil, dass man immer alles parat hat. Aber wir sollten diese Vorstellung nicht romantisieren.

Die Menschen auf der Straße erleben die kompromisslose Realität. Die eigene Hose hat mehr Löcher als ein Käse und lässt sich kaum noch reinigen? Pech gehabt, du hast keine zum Wechseln. Deine Decke ist vom Regen total durchnässt? Musst du halt jetzt ohne schlafen.

Natürlich gibt es tolle Einrichtungen, die viele Kleiderspenden an die Obdachlosen verteilen. Trotzdem ist es in den Wintermonaten häufig zu wenig. Zu wenig Kleidung, die Wärme schenkt. Obdachlose berichten uns davon, dass sie bei Minusgraden drei Isomatten übereinander legen, zwei Jacken tragen und in einen Schlafsack schlüpfen und die Kälte trotzdem in den Knochen spüren. So wie es sich anfühlt, wenn wir uns im Winter auf eine kalte Parkbank setzen und nach kurzer Zeit die Kälte am Gesäß spüren. Nur intensiver und dauerhaft. Tagelang.

Es gibt noch ein weiteres Problem. Diebstahl. Viele Obdachlose gehen nicht in Unterkünfte, da sie dort mehrfach beklaut wurden. Das liegt nicht an den Einrichtungen, sondern viel mehr an dem Leben auf der Straße, welches uns unter Umständen zu sinnlosen Taten verleitet. Wem soll man es verübeln, wenn der Bettnachbar drei wärmende Schlafsäcke besitzt und der eigene sich nicht mehr schließen lässt?

Wenn du alle Habseligkeiten bei dir trägst, musst du immer auf der Hut sein. Du darfst deine Sachen niemals zu lange aus den Augen verlieren. Vielleicht geht es gut und es ist noch alles da, wenn du zurückkehrst. Vielleicht aber auch nicht und du hast keinen Schlafsack mehr. Und nachts? Da bleibt nur die Hoffnung, dass die Menschen ihre Skrupel noch nicht ganz verloren haben.