Alltags-Ironie.

Wir waren an einem Samstagmorgen in der Stadt unterwegs und trafen auf einen Obdachlosen, der uns gerne von seinen vergangenen Tagen berichtet. In 8 von 10 Fällen ist er an seinem gewohnten Platz. Direkt vor einer Sparkasse. Je nachdem, welcher Wochentag gerade ist und wie unruhig die Innenstadt aktuell ist, verbringt er die Nacht vor dieser Bank. Während er uns von der letzten, sehr unruhigen Nacht berichtete, sah ich über ihm Verkaufsanzeigen für Wohnungen. Von ganz einfachen 1-2 Zimmer-Wohnungen bis hin zu Penthouse-Wohnungen für einen 7-stelligen Betrag. Aus seinen Erzählungen weiß ich, dass kaum noch Hoffnung besteht, irgendwann wieder in einer eigenen Wohnung zu leben. Die Warteliste ist endlos lang. Er hat von der Arbeitsagentur eine Kostenübernahme für eine Mietwohnung erhalten, er muss nur eine finden. Es gibt einfach zu wenig geförderte Wohnungen.

Auch wenn er vor Kurzem an diesem Platz zusammengetreten und beleidigt wurde, bevorzugt er weiterhin die Nächte unter freiem Himmel. In der Obdachlosenunterkunft herrsche zu viel Unruhe und er hätte Angst, dass er beklaut werden würde.

Ich dachte darüber nach, ob er auch manchmal vor den Wohnungsanzeigen stehen und sich vorstellen würde, in einer dieser Wohnungen zu leben. Vielleicht gefällt ihm eine dieser Wohnungen und er könnte einen Neustart durch dieses Zuhause wagen. 

Aber es war nur eine Fantasie und so saß er auf seiner Isomatte mit seinen weiteren Habseligkeiten, die man an einer Hand abzählen konnte. 

Vielleicht war ihm die Ironie bewusst. Vielleicht war ihm das aber auch egal. Ich fragte ihn, welche Dinge er gebrauchen könnte? Socken, Unterwäsche, Schuhe, eine Hose? Nein, er sei aktuell gut versorgt. Er bräuchte nichts dringendes. Und so fragte ich nach den Dingen, die vielleicht nicht so dringend sind?

Eine Scherrmaschine für seinen Bart und seine Frisur. Du lebst auf der Straße, hast schlecht geschlafen, sitzt direkt vor Verkaufsanzeigen von Wohnungen, die für dich unerreichbar sind und wünschst dir eine Scherrmaschine. Die besorgte ich ihm. Manchmal ist das Leben so eine Ironie.